Sexualisierte Gewalt - Ein gesellschaftliches Thema

Der Begriff "Sexualisierte Gewalt"

Der Begriff "Sexualisierte Gewalt" setzt sich als wissenschaftlich richtige Bezeichnung zunehmend durch. Diese Begrifflichkeit macht deutlich, dass es sich in erster Linie um eine Gewalttat handelt, die mittels sexueller Übergriffe ihren Ausdruck findet. Sexuelle Handlungen werden instrumentalisiert, um Gewalt und Macht auszuüben. Dies unterscheidet sexualisierte Gewalt von körperlicher, psychischer und struktureller Gewalt.

Für ein verständliches Miteinander, für Prävention und Aufklärung von Kindern, Jugendlichen, Eltern und der Öffentlichkeit wird oft der Begriff "Sexueller Missbrauch" benutzt. Er verdeutlicht, dass die Verantwortung für die Tat eindeutig beim Erwachsenen liegt.

Leider suggeriert dieser Begriff, dass es auch einen erlaubten "Gebrauch" von Kindern und Jugendlichen für sexuelle Handlungen geben kann - dies ist rechtlich und moralisch definitiv untragbar.

Was ist Sexualisierte Gewalt?

Sexualisierte Gewalt bezeichnet Handlungen, die das sexuelle Selbstbestimmungsrecht des Menschen verletzen. Sie können mit anzüglichen Bemerkungen und "Grabschen" beginnen und bishin zur Ausübung massiver körperlicher Gewalt gehen. Wir sprechen von sexualisierter Gewalt auch dann, wenn Autorität, Macht oder Vertrauen gegenüber einem Kind/Jugendlichen benutzt werden, um eigene sexuelle Bedürfnisse zu befriedigen.
Dies muss nicht immer körperliche Spuren hinterlassen.

Sexueller Missbrauch von Kindern ist jede sexuelle Handlung, die an oder vor Mädchen und Jungen gegen deren Willen vorgenommen wird oder der sie aufgrund körperlicher, seelischer, geistiger oder sprachlicher Unterlegenheit nicht wissentlich zustimmen können. Der Täter oder die Täterin nutzt dabei seine/ihre Macht- und Autoritätsposition aus, um eigene Bedürfnisse auf Kosten des Kindes zu befriedigen (Bange/Deegener 1996).

Bei unter 14-Jährigen ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sie sexuellen Handlungen nicht zustimmen können. Sie sind immer als sexualisierte Gewalt zu werten, selbst wenn ein Kind damit einverstanden wäre.

Wer ist am häufigsten von sexualisierter Gewalt betroffen?

Die meisten Betroffenen sind Kinder und Jugendliche. Besonders häufig betroffen sind Mädchen und junge Frauen. Auch Jungen, junge Männer und queere Personen erleben sexualisierte Gewalt. Menschen mit Behinderungen sind besonders gefährdet.

Wer übt sexualisierte Gewalt aus?

In den meisten Fällen sind es Männer. Sie sind oft mit dem Kind oder der betroffenen Person bekannt – zum Beispiel aus der Familie, dem Freundeskreis oder dem Umfeld. Nur selten sind es fremde Personen. Auch Frauen üben sexualisierte Gewalt aus, aber deutlich seltener. Die Tatpersonen leben in drei Viertel der Fälle im Familien-, Bekannten- oder Verwandtenkreis der Kinder.

Sexueller Missbrauch ist immer ein Machtmissbrauch

Ein Erwachsener oder eine erwachsene Person nutzt ein Kind für die eigenen sexuellen Wünsche aus. Nur diese Person ist dafür verantwortlich. Sexuelle Handlungen an oder vor einem Kind – oder Handlungen, denen das Kind nicht zustimmen kann – sind Gewalt. Sexualisierte Gewalt gibt es in allen Teilen der Gesellschaft. Egal, ob jemand viel oder wenig Geld hat. Egal, welchen Beruf eine Person hat: Eine gewaltausübende Person kann nach außen wie ein ganz „normaler“ Mensch wirken.

Sexualisierte Gewalt passiert auch zwischen gleichaltrigen Kindern oder Jugendlichen.

Niemand missbraucht im Affekt oder "aus Versehen" ein Kind. Die Taten sind geplant, nicht selten testet die Tatperson ihr Opfer und verpflichtet es mit Drohungen zur Geheimhaltung. Die innere Bindung zur Tatperson, die Liebe des Kindes "trotz allem" zu der ihm meist nahestehenden Person trägt zur Verwirrung und Geheimhaltung von Seiten des Kindes bei.

Nicht jede auffällige Veränderung bei einem Kind muss auf sexualisierte Gewalt schließen lassen. Hier sind Achtsamkeit und Vorsicht geboten.
Seien Sie dem Kind gegenüber aufmerksam und nehmen Sie seine Sorgen und Probleme ernst.

Kann ich dem Kind glauben?

Kinder denken sich eigene Erlebnisse sexualisierter Gewalt fast nie aus oder lügen. Die Wahrscheinlichkeit, dass sexualisierte Gewalt nicht bemerkt wird, ist viel größer, als die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kind diese Übergriffe erfindet. Oft leugnen Kinder diese sogar, um die Person, die sie lieben, zu schützen oder weil sie unter Druck gesetzt werden und Angst haben. Wenn Kinder von sexualisierter Gewalt berichten, ist davon auszugehen, dass diese ihnen auch widerfahren ist.

Folgen

Sexualisierte Gewalt führt zu Verletzungen des Körpers und der Seele und kann tiefe Spuren im Erleben und Erinnern vieler Mädchen und Jungen hinterlassen.
Sie konfrontiert betroffene Kinder und Jugendliche mit einem kaum zu bewältigenden Gefühlschaos von Scham, Schuld, Ekel, absoluter Hilflosigkeit und Angst. Die Überlebensstrategien, die es ihnen ermöglichen, eine andauernde Missbrauchssituation oder eine Vergewaltigung auszuhalten, prägen sich häufig tief ein. Sie bestimmen ihr Leben als (junge) Erwachsene weiter.

Eine Vielzahl von Folgen kann sie über das Kindes- und Jugendalter hinaus durch ihr Leben begleiten. Diese reichen von Schlafstörungen, körperlichen Verletzungen und Krankheiten, Beziehungsstörungen,  Zweifeln an der eigenen Wahrnehmung bis hin zu psychischen Erkrankungen. Es kann auch zur posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) kommen, unter der beispielsweise häufig auch Kriegs- und Folteropfer leiden.

Alltägliche sexualisierte Gewalt in Familien oder dem sozialen Umfeld ist "unsichtbar". Menschen, die sexualisierte Gewalt in ihrem sozialen Umfeld erfahren haben, werden sowohl innerhalb ihrer Familien als auch in der Gesellschaft mit ihren Erlebnissen häufig in Frage gestellt und das Geschehen in seiner Bedeutung heruntergespielt oder sogar negiert.

Parteilichkeit

Gesellschaftliche Parteilichkeit ist für die Betroffenen dringend notwendig, damit sie Raum bekommen, das Geschehene zu benennen und Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Es braucht Mut und Kraft, sich Hilfe zu holen.

Mit Hilfe des sozialen Umfeldes und/oder mit professioneller Unterstützung gelingt es vielen Betroffenen, besser mit den traumatischen Erlebnissen umgehen zu können und sich bessere Lebensperspektiven aufzubauen. Frühe Unterstützungsangebote tragen dazu bei, dass Gewalterfahrungen sich nicht verfestigen und das Leben langfristig behindern.

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